„Im Zentrum des Sturms“
Memmingen – Vor mehr als 200 Besucherinnen und Besuchern umschrieb kürzlich der Historiker Dr. Peer Frieß die Rolle der Reichsstadt Memmingen im Bauernkrieg 1525. Der Referent rückte dabei die Bevölkerung ins Zentrum seiner Betrachtung und ging der Frage nach, wie sich ihr Leben in diesen Monaten veränderte. Eine wichtige Quelle dieser Perspektive sind die Ratsprotokolle des damaligen Stadtschreibers Georg Meurer, deren Inhalte Dr. Frieß gerade auf den Webseiten des Stadtarchivs Memmingen publiziert. Der Stadtschreiber war auf Grund seiner Position an allen relevanten Prozessen beteiligt und hatte Einblicke in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Alltag der Stadt.
Memmingen befand sich im Februar und März 1525 „im Zentrum des Sturms“. Mit ihrer Offenheit gegenüber den Beschwernissen der Bauern und Bürger wurde die Reichsstadt zum Ort der Zwölf Artikel. Doch im Streit um die Lasten der Leibeigenschaft, um den fehlenden Zugang zu natürlichen Ressourcen und um eine richtige Kirchenordnung drohte Bürgermeister und Rat ein folgenschwerer Kontrollverlust.
Im gut kontrollierbaren Gebäude der Kramerzunft versammelten sich im März 1525 mehrfach Vertreter der oberschwäbischen Bauernschaft und schlossen sich zu einer „Christlichen Vereinigung“ zusammen. Sehr wahrscheinlich herrschten damals winterliche Verhältnisse in der Region. Der Rat ließ die Bewachung der Stadttore verstärken, um Memmingen vor auswärtigen Bedrohungen zu schützen; eintretende Personen mussten ihre Waffen und langen Messer abgeben.
Doch es gab auch einen innerstädtischen Unruheherd: Eine starke Opposition forderte mehr Teilhabe am Stadtregiment. Es kam zu Protesten und Demonstrationen, die die Stadt in ihrer Geschichte noch nie erlebt hatte. Schließlich bedurfte es der Unterstützung durch Truppen des Schwäbischen Bundes, um wieder für Ruhe in Stadt und Land zu sorgen.
In der Rückschau von Dr. Peer Frieß wird deutlich, wie Memmingen in diesen bewegenden Monaten zunehmend zu einer „Insel im Sturm“ wurde. Fast alle adeligen, klösterlichen und städtischen Herrschaften hatten sich nicht für einen Weg des Zuhörens und des Gesprächs, sondern des gewaltsamen Niederschlagens des Aufstandes entschieden. So blieb die Forderung der Bauern in den Zwölf Artikeln, „dass wir frey seyen und wöllen seyn“ noch einige Jahrhunderte unerfüllt.
Im Gedenkjahr 2025 wird der Historische Verein Memmingen in den kommenden Monaten noch weitere hochkarätige Referenten nach Memmingen holen. Man darf sehr gespannt sein, welche neuen Erkenntnisse sie zur Geschichte des Bauernkriegs vortragen werden.
Infos:
www.hv-memmingen.de
stadtarchiv.memmingen.de
Pressemitteilung des Historischen Vereins Memmingen e. V.
Abb.: Titelblatt der Bundesordnung der oberschwäbischen Bauern vom 7 März 1525 (© Stadtarchiv Memmingen)