ab 10. August, Memmingen
Zwei neue Ausstellungen in der MEWO Kunsthalle

Simon Kießler: Play hard

Simon Kießler ist ein Ermöglicher, ein Wegbereiter im wahrsten Wortsinn. Man könnte die Werke des Künstlers konzeptuell nennen und doch sind sie nah am Material und der kreativen Handlung. Seine Werke sind keine isolierten Objekte. Mensch und Zufall spielen in seiner Kunst eine wichtige Rolle, eingebettet in eine präzise durchdachte Versuchsanordnung. Kießler selbst nimmt sich zurück, entzieht sich künstlerischen Einordnungen und demokratisiert mit seinem Ansatz das künstlerische Schaffen.
Seine künstlerische Praxis ermöglicht Menschen, einen unmittelbaren, spielerischen Zugang ohne dabei die nötige Tiefe vermissen zu lassen. Kießler kommt durch die Zwischenschaltung der Aktionen und der Beteiligung anderer dem ursprünglichen, unverschulten Kunstschaffen nahe, das er nach dem Studium vermisste.
Durch bewussten Einsatz von Irritationen schafft er Teilhabe auf Augenhöhe. So ließ Kießler in seiner Arbeit We don‘t need no education / Minibagger aus dem Jahr 2019 einen geschulten Baggerführer ohne Malerfahrung gegen einen Malereiprofessor ohne Baumaschinenkenntnisse gegeneinander antreten, durch die Steuerung des Baggers je ein Porträt von ihm anzufertigen. Beide werden neben einer Videodokumentation in der Ausstellung zu sehen sein. Sämtliche bei diesen Aktionen entstehenden Werke gehen per zuvor geschlossenem Vertrag in Kießlers Besitz über.

Im Fokus der Ausstellung ›Play hard‹ stehen zwei Werke des Künstlers, die ihren Ursprung in derselben Erinnerung haben. Die Erinnerung des Künstlers an das geliebte Schaukelpferd, das sein Urgroßvater gebaut hatte. Die Arbeit Dizzy / Schaukelpferd (2021) ist eine übergroße Nachbildung dieses Spielzeugs. Erwachsene sind eingeladen, Platz zu nehmen und zu schaukeln. Unter dem Pferd liegt Papier, in das sich die Bewegungen einschreiben. Ähnlich verhält es sich in anderer Dimension und Handlungsweise bei Dizzy / Pegasus (2022/2024). Was passiert mit Erwachsenen, die sich diesem kindlichen Spiel hingeben? Weckt das Schaukeln eigene Erinnerungen? Wird man wieder Kind? Erreicht man durch die stetige Wiederholung der wiegenden Bewegung einen anderen Bewusstseinszustand? Simon Kießler lädt die Besucher*innen ein, diesen Fragen bei vier Kunstaktionen nachzuspüren.

Simon Kießler (* 1983 in Elsterwerda) schloss das Studium der Bildenden Kunst als Meisterschüler von Prof. Stella Geppert an der Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle ab. Zuvor studierte er im Diplomstudiengang Plastik bei Prof. Andrea Zaumseil ebenda und absolvierte eine staatlich geprüfte Holzbildhauerausbildung in Oberammergau. Er lebt und arbeitet in Halle.

 

Ein Fitnesstudio mit Hanteln aus bunter Keramik vor einer großen Spiegelwand
Harry Hachmeister, Hard Softies, Installationsansicht Am Seegarten, Kirchmöser, 2023, Foto: Ludger Paffrath © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Harry Hachmeister: Haus der Gefühle

Willkommen im ›Haus der Gefühle‹! So lautet der Titel der Ausstellung von Harry Hachmeister. So leicht beschwingt diese Worte daherkommen, so ernst muss man sie nehmen. In der Kombination unterschiedlicher Medien und Techniken von Fotografie über Malerei bis Keramik erschafft der Künstler Räume, die konzeptuell und doch offen sind. Das isolierte Einzelwerk tritt gegenüber einer stimmigen Raumlösung sich aufeinander beziehender Werke und Objekte in den Hintergrund.
Ohne Zynismus blickt Hachmeister auf die Welt. Seine Werke sind von Melancholie, Schmerz, aber immer auch von Freude und Hoffnung geprägt. Die Ausstellung soll als Haus der Gefühle Assoziationen wecken und zum Einfühlen anregen.
Hachmeister choreografiert die Ausstellungsräume. Er integrierte bereits Baustellenschilder und Schubwägen in seine Installationen. Diese Motive der Maskulinität im männerdominierten Baugewerbe gehen einen Dialog mit seiner Kunst ein. Hachmeister öffnet den ästhetisch aufgeladenen Museumsraum mit dem Baustellenverweis dem Unfertigen und Unvollkommenen – beides zentrale Themen seiner Kunst.

Vermeintliche Rollenbilder, aber auch der durch Kraftanstrengung formbare Körper stehen im Mittelpunkt einer Werkserie aus Keramik, die er Gewichten und Hanteln aus Fitnessstudios nachempfunden hat. Der Körper als Form, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körperbild und der Identität sind Themen, die Hachmeister in seinen Arbeiten verhandelt. Die kühle und gleichzeitig erhitzte Realität der Sportcenter überführt der Künstler in sinnliche Keramiken, die er mit einem Augenzwinkern in Form und Farbe variiert.
Es sind Geschichten über das Leben, über sein Leben, über die Welt da draußen, die Hachmeister mit uns teilt. Er zeigt all die Ambivalenz, die Unschärfe und Uneindeutigkeit, die uns eigentlich lehren sollte, nicht in Schubladen zu denken. Hachmeisters Arbeiten zeugen von tiefer Menschlichkeit, die uns einlädt, Diversität zu akzeptieren und Ambivalenzen auszuhalten.

Harry Hachmeister (*1979 in Leipzig) schloss sein Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig 2007 ab. Sein wachsendes Interesse an Keramik führte ihn zu einer Künstlerresidenz ins European Ceramics Work Centre | EKWC (Oisterwijk 2023). Neben weiteren Auszeichnungen wurde er 2015 mit einem Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds gefördert. Seine Werke waren in Einzel- und Gruppenausstellungen, etwa im Museo de Arte Contemporáneo (Santiago de Chile 2020), im Centrul de Interes (Cluj-Napoca 2022), im Museum der bildenden Künste (Leipzig 2022) zu sehen. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 

 

Simon Kießler 10.8. — 6.10.2024
Kunstaktionen:  Am Eröffnungsabend (9.8.) und Sa, 10.8. von 11 bis 17 Uhr | So, 11.8. von 11 bis 14 Uhr | Sa, 7.9. von 11 bis 17 Uhr | So, 8.9.. von 11 bis 14 Uhr, Eintritt frei
Harry Hachmeister 10.8. — 27.10.2024

Beide Eröffnungen: Freitag, 9. August 2024 um 19 Uhr
MEWO Kunsthalle
Bahnhofsstraße 1, Memmingen
www.mewo-kunsthalle.de


Pressemitteilung der MEWO Kunsthalle
Beitragsbild: Simon Kießler, Dizzy / Schaukelpferd, 2021, Holz, 110 × 200 × 60 cm